Maria
schrieb am 1. November 2025 um 17.57 Uhr
Lieber Papa,
viel Zeit hatten wir nie füreinander.
Irgendwie war immer irgendwas - das Leben, der Alltag, der Stolz – wer weiß das schon so genau.
Meine Zeit mit dir war immer begrenzt, bis du plötzlich in der Intensivpflege gelandet bist.
Und auch wenn diese letzten zwei bis drei Jahre kein wirkliches Leben für dich waren – eine Gefangenschaft aus Schläuchen, Pieptönen und Stillstand , Tag für Tag - bin ich unglaublich dankbar, dass ich da nochmal ein Stück Zeit mit dir bekommen habe.
Wir hatten Momente. Echte, ehrliche Momente.
Kleine Augenblicke, in denen du noch du warst. Solche, die es davor jahrelang kaum gab.
Und die nehme ich mit, als wären sie Schätze.
Aber ich bin auch verletzt.
Nicht nur vom Verlust. Verletzter von den Menschen, die ihren Groll nie ablegen konnten.
An all jene, die lieber stur auf alten Wunden herumtraten, als aufzustehen und zu vergeben.
Eure Kälte hat uns alle mehr auseinandergebracht, als das Leben es je tat.
Ich wünschte, ihr hättet eure Hände aufgehalten -
nicht aus Höflichkeit, sondern aus Menschlichkeit.
Eure Weigerung zu verzeihen hat ihm das Leben schwer gemacht,
und das nehme ich euch übel.
Trotz allem – und gerade deswegen – weiß ich jetzt, was wirklich zählt.
Wahre Liebe ist nicht bedingungslos nur in Worten, sie zeigt sich in der Entscheidung, loszulassen, zu verzeihen und weiterzugehen.
Und das tue ich.
Ich lasse den Groll nicht in mir wachsen.
Ich vergebe - weil ich dich liebe, Papa.
Ich hoffe, du findest jetzt deine Ruhe – frei von Maschinen und ausgleichslos kalten Menschen.
Ich hoffe, es geht dir gut da oben.
Ruhe in Frieden.
Deine (jüngste) Tochter.
