Lieber Leon,
wie gern hätte ich dir all diese Worte schon viel früher gesagt und wie sehr schmerzt es mich zu wissen, dass ich sie dir nie mehr sagen kann.
Vor 17 Jahren haben wir uns kennengelernt. Ich stand damals mit einer Schultüte vor dir, die größer war als ich und wir beide wurden in dieselbe Klasse eingeschult.
1a, Frau Kruse, Grundschule Lüchow.
Von diesem Tag an, waren wir irgendwie verbunden.
In der 4. Klasse hast du mir einen Fußballsticker geschenkt. Ich hab ihn sofort in mein Tagebuch geklebt, mit den Worten:
„Ich habe mich total doll in Leon verliebt“.
Nach der Grundschule trennten sich unsere Wege, meiner auf die eine Straßenseite und deiner auf die andere -
Realschule und Gymnasium.
Jedoch sollten wir uns nicht lange aus den Augen verlieren, denn der Konfirmationsunttericht führte uns wieder zusammen. Und als du dich gegenüber von mir hingesetzt hast, war es um mich geschehen. Ich habe mich zum ersten Mal verliebt. Du warst der erste Junge, der mein Herz höher schlagen ließ. Und als ich eines Tages endlich meinen Mut zusammenfasste, um dir das zu sagen, wurdest du mein erster Freund.
Das ganze hielt nicht lange, aber das war auch nicht wichtig. Irgendwie wurden wir immer wieder zusammengebracht. Du warst einfach da. Du warst eigentlich immer da.
Wir beide waren nie weit weg voneinander und obwohl wir uns nicht auswendig kannten, wusste ich immer das Wichtigste von dir sowie du von mir. Egal wie weit sich unser Leben voneinander entfernte, die Distanz zwischen uns war nie groß und jedes Wiedersehen war so, als wären wir nie lang getrennt gewesen. Ich will damit sagen, du warst sowas wie ein treuer Begleiter, seit so unglaublich vielen Jahren. Egal wie schwer es zwischen uns beiden war und wie lang der Kontakt mal abbrach, das Wir war uns wichtiger, als alles andere. Ich wusste immer, dass wir uns wiedersehen und dann alles gut wird.
Dennoch konnte ich nicht ahnen, dass ein Abschied plötzlich einer für mein ganzes Leben sein sollte. Ohne die Chance diesen Abschied zu verstehen, ohne die Chance auf eine letzte Umarmung. Und Leon, wie gern habe ich dich umarmt. Wie gern hab ich mit dir gelacht und wie sehr habe ich es genossen, mit dir Skateboard zu fahren. Ich habe es genossen dir dabei zuzusehen, wie du etwas tust was du liebst. Denn du hast das nie so wirklich gezeigt, aber ich wusste es einfach. Dann warst du Leon. Mein Leon.
Und so nehme ich Abschied, von meinem Begleiter, um den es still geworden ist.
Und es ist diese verdammte Stille, die so laut ist, das ich denke sie könnte mich taub machen. Es ist die Gewissheit, dass ich dich nicht mehr sehen kann. Das ich nicht weiß, wo du bist und wie es dir geht. Dieser endgültige Abschied ohne ein Wort. Ohne eine Umarmung. Ohne ein „Bis Bald“.
Wir hatten so viel Zeit und am Ende erscheinen mir diese 17 Jahre wie ein Wimpernschlag. Vielleicht ist es das, was uns das Leben oft lehrt: Man kann nichts festhalten, jeder Moment ist wertvoll und muss genossen werden.
Also lass ich dich los, in der Hoffnung dich eines Tages wiederzusehen.
Was bleibt, sind meine Erinnerungen an dich, an eine Zeit, in der alles so einfach war.
Was bleibt, bist du, mein Freund, mein Begleiter, mein Leon.